CMS
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CMS nun auch für alle Schulen - ein Snapshot 2009

Die kostenlos erhältlichen Content-Management-Systeme (CMS) sind für den Geschäftsbetrieb ausgelegt. Für die Anforderungen einer Schule hat meines Wissens nie jemand ein CMS geschneidert.

CMS sind meiner Ansicht nach in einer Schule nur „einfach" für denjenigen, der regelmäßig dort Daten eingibt und bearbeitet. Also für den Corektor und vielleicht noch jemanden vom Sekretariat. Menschen, die nur alle halbe oder ganze Jahre dort hineinklicken (Fachschaftszuständige, Zuständige für Schülerreisen, Eltern für die Elternseite, Ehemalige für die Ehemaligen-Seite, und auch Schüler sind bei CMS seltener fit, als sie behaupten) müssen sich unter Zeit- und Hirnaufwand erst einmal orientieren und werden in der Regel Hilfe brauchen.

Der Betreuer eines CMS-Systems hofft also zunächst, es sich einfacher zu machen, indem im Prinzip vieles von den Zuständigen direkt eingespeist werden könnte. In der Praxis muss er den Zuständigen oft und immer wieder die Arbeit mit dem CMS erläutern - je nachdem wird an einer Schule mit ihrem im Vergleich zu einem Handelsbetrieb geringen Datenfluss der Aufwand vergleichbar damit, dass der Betreuer die Daten selbst eingibt.

Die in ein CMS einzugebenden Daten müssen nicht nur internet-gerecht sein - also Bilder z.B. müssen immer in Auflösung und Maßen angepasst werden - sondern auch noch CMS-gerecht. Direkt verträgt ein CMS nur puren Text (kein formatiertes Word-Dokument, keine Excel-Tabelle, kein in htm schon erstellter Stundenplan) sowie Bilder. Wer den puren Text dann mit Größenunterschieden, Fettschrift, Farbe gestalten will, soll dies bitte im CMS tun. Was er vorher in einem Word-Dokument gestaltet hat, geht verloren. Die Bildaufarbeitung verlangt handwerkliche Erfahrung und ist ein typisches Problem der vielen CMS-Mitarbeiter. Die Textaufarbeitung ist für klassische schulische Computernutzung das Ende bisheriger Bequemlichkeit.

„Bisher", also etwa von 1998 bis 2008, verfasste das Schulpersonal beinahe alles in den Bill-Gates-Programmen word und excel - denn sie bekamen das kostenlos, während Schüler und Eltern eigentlich dreistellige Summen dafür zahlen müssten. „Eigentlich" - in der Praxis war die Arbeit der Schulbehörden mit Bill-Gates-Programmen eine Verleitung, gegenüber armen Menschen sogar ein Zwang zur Raubkopie. Damit machen kostenlose CMS-Programme im Prinzip Schluss. Aber die Ausführenden der Verwaltung protestieren dagegen, auf kostenlos Öffentliches umlernen zu müssen, und eine jahrelange Bremsspur zieht sich nun durch Schulen und Behörden.

Im Layout sind CMS-basierte Homepages schablonisiert. Es gibt eine „optimale Nutzerführung" und einen „bestwirkende Seitengestaltung", von der zunehmend gering abgewichen wird. Die Farben und Fotos können wechseln - der Baukasten ist vorgegeben. So gut wie alle öffentlich-rechtlichen Seiten melden durch Angleichung aneinander: Hurra, wir sind jetzt CMS-basiert. Es ist ein bisschen wie mit den Formen heutiger Autos im Vergleich zu dem, was von 1900 bis etwa 1970 an Wagen gebaut wurde.

Klar kann man ein CMS aufpeppen - Scroll-Down-Menüs, Flash-bewegte Elemente - bittesehr. Aber das kann der Mitarbeiter nicht, da ist der Betreuer gefragt. Der wollte sich die Arbeit erleichtern? Die CMS-basierte Homepage, die zugleich nicht bieder ist, sondern Profil zeigt, ist das größere Kunstwerk, ist der fünfmal höhere und komplexere Arbeitseinsatz, als er für die profilierte Gestaltung einer klassischen Homepage erforderlich ist. Zwischen 1998 und etwa 2005 gab es eine regelrechte Explosion des Homepage-Bauens von klassischen, aus CMS-Sicht „statisch" genannten Homepages. Jeder Computerinteressierte konnte das. Diese Zeit ist zuende. Seit die Kunden CMS wollen und den zugehörigen Look der Homepage, sitzen die Betreuer dieser Seiten wieder in einem volksfernen Elfenbeinturm und basteln mit Daten, die dem Level früher DOS-Inhalte ähneln.

Überwiegend wollen die Kunden eigentlich nur den modernen Look, aber ansonsten maximale Bequemlichkeit: Ich gebe dir meine Daten, wie sie halt gerade angefallen sind - als word, excel, PDF, odt, Foto aus der Kamera, htm, Grafik aus irgendeinem Programm, Film in irgendeinem Format, und manchmal auch auf gutem altem Papier - und das will ich dann 1 : 1 im Internet wiederfinden. Dieser Kundenwunsch („Das Firmenprospekt im Internet bitte") war über zehn Jahre hinweg der Stress der Homepagebetreuer - und mit dem CMS haben sie die Machtverhältnisse umgedreht: „Alle Inhalte netzgerecht bitte" - das setzt sich in Unternehmen nun durch.

Der Lockruf „CMS ist einfach" ist vergleichbar mit der Bill-Gates-Werbung „Windows ist einfach" - 2009 gehen wir da ins etwa fünfzehnte Jahr einer stetigen Kundenquälerei. Die Programmierer von CMS versuchen, sich selbst Arbeit im Betrieb abzunehmen, und erreichen als gern mitgenommenen Nebeneffekt, dass sie sich unentbehrlich und wichtig machen. Daran arbeiten sie dank CMS seit etwa 2002. Die Vereinfachung, die CMS an Schulen bietet, geht einher mit mancherlei Personalschulung, mit einiger Umstellung schulischer Arbeitsweise, und beruht auf einigen Versprechen an das Umfeld, die so nicht eingehalten werden können. Ich wünsche den Schulen, die sich an CMS anpassen, alles Gute.